Besuch mit 101 Jahren

BBB

Eine sehr betagte Dame erinnert sich 

Besuch vom 17. Oktober 2021

 

Kaum aus dem Auto ihres Sohnes Peter ausgestiegen, lachte Berta uns ganz verschmitzt an. Sie freute sich so sehr, ihr altes Zuhause von früher wieder zu sehen. Leicht auf zwei Stöcken aufgestützt, erklomm sie ganz leicht die Treppe hinauf zum Eingang des Gasshüslis. Kaum in der Stube gegenüber dem Kachelofen am Holztisch Platz genommen, lachte Sie uns alle vergnügt an und meinte:

 

«Jetzt bin ich da, ich, BBB, dreimal B: Berta Bucher-Bucher.»

 

Damals, ja, da war hier alles noch anders, einfacher – aber auch schwieriger. Als meine Mutter am

1. November 1923 infolge der Todgeburt ihres dritten Kindes mit 26 Jahren starb, kamen mein jüngerer Bruder Xaver und ich in die Obhut meiner Grosseltern Xaver und Bertha Fuchs-Fuchs, die schon ganz lange im Gasshüsli wohnten. Mein Vater hatte damals in Littau einen kleinen Bauernhof mit 5 Kühen, und war nun mit seinen zwei Kindern, Xaver und mir alleine gestellt. Die Schwester Ida meiner verstorbenen Mutter hätte gerne meinen verwitweten Vater geheiratet, was meine Grosseltern im Gasshüsli nicht zuliessen. Sie liessen meinen Vater wissen, dass sie ihm eine zweite Frau suchen würden, und wenn er dies nicht wolle, müssen seine zwei Kinder, also Xaver und ich in ein Waisenhaus.»

 

Berta nimmt tief Atem, klopft mit der rechten Hand auf den Tisch und wird fast etwas energisch:

«Eines Tages stand eine Kutsche vor dem Gasshüsli, darin mein Vater mit einer mir unbekannten Frau, ich schaute aus dem kleinen Fenster der Stube. Die Frau schaute zu mir hoch und sagt: Du kannst nicht mitkommen, du hast viel zu wenig schöne Kleider an!

Die Frau war die neue Ehefrau meines Vaters, ausgelesen von meinen Grosseltern, und so heiratete mein Vater ein zweites Mal, eine ledige Köchin aus Malters mit einem unehelichen Kind mit dem gleichen Nachnamen wie meine Grosseltern: Berta Fuchs.

Daraufhin zog Ida, die Schwester meiner Mutter, die meinen Vater so gerne geheiratet hätte ins Kloster und wurde Nonne und erhielt hier den Namen: Clarissa.

Nun wohnten mein jüngerer Bruder und ich wieder ab 1926 bei meinem Vater und seiner neuen Frau beim Kreuzstutz in Luzern. Mein Vater arbeitete nun als Stallmeister bei der Molkerei Galliker, wo er zu den über 20 holländischen Pferden schaute.

Meine neue Mutter war eine sehr strenge Mutter, die mir zwar immer schöne elegante Kleider gab, und sehr gut kochte, aber mich nie umarmte.»

 

Berta erzählt weiter:

«Ich weiss noch ganz genau, wie es damals hier aussah!

In der Stube gegenüber dem Kachelofen, der sich heute noch am gleichen Ort befindet, stand ein Sofa, wo mein Grossvater meist schlief, nur durch die hintere Türe zum Schlafzimmer durfte ich nie, es war verboten.

Im oberen Stock, wo sich heute zwei Atelier Räume befinden, waren die Zimmer meiner Tante

Bertha steigt mit ihren 101 Jahren die steile Treppe in den oberen Stock hinauf, schaut umher, lacht, und sagt: Emma und meines Onkels Xaver.»

 

(Anmerkung: Die Grosseltern von Berta hiessen Xaver und Bertha Fuchs-Fuchs, und hatten 5 Kinder; Berta ,verheiratet mit Xaver Bucher, die schon mit 26 Jahren verstarb, und die Mutter von der Erzählenden Berta ist, Emma (ledig), Ida (ledig, später Nonne im Liebfrauenhof Zug mit neuem Namen Clarissa), Xaver (geschieden, 2 Kinder), Josef (verheiratet mit Ida Meichtry; zwei Kinder, Walti und Ruedi).

 

«Ja, dieses Zimmer war es, das Zimmer mit Guckloch, das heute noch da ist. Ich durfte damals im ersten Stock im Zimmer meiner Tante Emma schlafen, die immer durch dieses Guckloch sah, um zu sehen, ob ich schlafe»

 

Berta lacht laut und spricht weiter:

«Natürlich war ich wach, und kniff nur meine Augen zu. Meine strengen Grosseltern meinten, ich sei eine Wilde!»

 

Berta lacht wiederum laut und vergnügt, sie freut sich uns dies zu erzählen.

«Und meine Tante Emma, eine sehr religiöse Frau, war die Gärtnerin des Gasshüslis.

Vor den Fenster zum Richard-Wagner-Weg hin blühten rote Geranien, oben auf der Veranda in Richtung der Tribschenstrasse wuchsen Rosen, und gegenüber dem Gasshüsli, (heute der Richard-Wagner-Weg mit steilem Bord hinunter zur Eishalle), war ihr Pflanzgarten.

Sie liebte Blumen und Gärten. Mein Grossvater Xaver nahm hin und wieder eine kleine bunte Kette von ihr, und befestigte die Glasperlen an Fischerhaken. Als Fischer verkaufte er seine Fische vor dem Gasshüsli an betuchte Stadtluzerner. Damals war hier unten, wo die Eishalle stand, Schilf und der See kam bis hierher. Auch stand hier unten ein kleiner Bauernhof, der Ziegen hielt. Davon gab mir meine Grossmutter immer zu trinken, weil ich viel krank war.»

 

Mit Schwung geht Berta durch den seitlichen Garten, steigt hinunter durch die Dachlucke wieder zur Stube, und sagt mit lautem Lachen:

«Hier möchte ich mal Ferien machen!»

 

Alle lachen mit, und wünschen Ihr noch viel Gemütliches, und alles Gute, und danken Ihr für ihren Besuch in ihrem alten Zuhause.

Die Grosseltern Xaver und Bertha Fuchs-Fuchs (links), wohnhaft im Gasshüsli,

Aufnahme vor der Villa Schröder auf Tribschen, Aufnahme 1925

Gasshüsli im Oktober 1920, im Kinderwagen liegt Berta, die Erzählerin, heute 101 Jahre alt.